Please select a page template in page properties.
Fragilität und Konflikt
  • Dr. Martin Noltze
  • Dr. Mascha Rauschenbach

Resilienzstärkung in fragilen Kontexten – eine georäumliche Wirkungsevaluierung in Mali

Die ärmsten Länder des globalen Südens werden zunehmend durch den Klimawandel beeinflusst – eine zusätzliche Herausforderung neben sozialen und ökonomischen Spannungen bis hin zu gewaltsamen Konflikten. Etliche dieser Konflikte werden vermutlich von den negativen Auswirkungen des Klimawandels verstärkt oder sogar ausgelöst. Auch deshalb ist es so wichtig, die Klimaresilienz in fragilen Staaten zu stärken. Dabei haben Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel das Potenzial, Konflikten vorzubeugen, Krisen zu bewältigen und die sozioökonomische Situation zu stabilisieren. Sie können aber auch Konflikte verschärfen.

© picture alliance/dpa, Ahmed Jallanzo

Will Entwicklungspolitik in klimavulnerablenund fragilen Kontexten erfolgreich wirken, kommt evidenzbasierter Politikgestaltung eine besondere Bedeutung zu. Hierbei können georäumliche Verfahren von großem Nutzen sein. Die Verwendung geografischer Daten bietet insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten eine objektive und kostengünstige Ergänzung oder sogar Alternative zur Datenerhebung vor Ort. Im Zuge des technologischen Fortschritts und angetrieben durch die Mobilitäts- und Reiseeinschränkungen aufgrund der globalen COVID-19-Pandemie werden fernräumliche Informationen zur Erbringung rigoroser Evidenz wesentlich häufiger genutzt. Viele Evaluierungen, die sich auf geografische Informationen stützen, beschränken sich jedoch auf die Messung einfacher Ergebnisindikatoren wie der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Analysen und Bewertungen komplexerer Konzepte wie der Klimaresilienz mittels georäumlicher Informationen sind hingegen noch eher die Ausnahme.

Resilienzstärkung durch die deutsche EZ in Mali

Im Rahmen einer Evaluierung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel hat sich das DEval mit Maßnahmen zur Bewässerungsinfra­struktur in Mali beschäftigt, also mit einer typischen Intervention zur Stärkung der Klimaresilienz in fragilen Kontexten.

Da in Mali – wie generell in der Sahel­zone – vornehmlich Regenfeldbau betrieben wird, hat der Klimawandel erhebliche Auswir­kungen auf die Nahrungsmittelproduktion. Niederschläge werden immer weniger vorher­sehbar. Zudem führen steigende Temperatu­ren zu einem wachsenden Bedarf an landwirt­schaftlicher Bewässerung und zu einer steigenden Anfälligkeit gegenüber extremen Wetterereignissen wie länger andauernden Dürren und Starkregenereignissen. Vor diesem Hintergrund hat eine effiziente und ökologisch angemessene Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen ein hohes Poten­zial, die Widerstandsfähigkeit der malischen Gesellschaft gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen. Sie steigert die landwirtschaftliche Produktivität und macht sie vom Regen unabhängiger. So kann sie Armut verringern und letztlich auch die soziale Stabilität der Gesellschaft fördern.

Die deutsche EZ in Mali unterstützt seit Ende der 1990er-Jahre den Aufbau und die Instandhaltung landwirtschaftlicher Bewässerungsinfrastruktur. Mit verschiedenen Projekten fördert die KfW Entwicklungsbank pumpengestützte Kleinbewässerung, groß angelegte gravitationsgestützte Bewässerungssysteme und die Inwertsetzung von Talauen. Ziel der Anpassungsmaßnahmen ist es, die Klimaresilienz zu stärken. Darüber hinaus sollen die Vorhaben über konfliktsensible Maßnahmen auch zur breiteren Resilienzstärkung in dem von Gewaltkonflikten geprägten Land beitragen.

Georäumliche Evaluierung von Bewässerungsmaßnahmen in Mali

© DEval

Die rigorose georäumliche Wirkungsevaluierung des DEval widmet sich den Beiträgen der Infrastrukturmaßnahmen auf die ökologische, ökonomische und soziale Resilienz der malischen Bevölkerung. Sie nutzt ein quasiexperimentelles Design (Differenz-in-Differenz-Analyse) und interpretiert hochauflösende Luftbilder. Die Datenbasis bilden knapp 1.000 geokodierte Projektstandorte, Fernerkundungsdaten, geokodierte Umfragedaten und Ereignisdaten sowie Interviews und Fokusgruppendiskussionen. Die Analyse nutzt sowohl Paneldaten als auch wiederholte Querschnittsdaten. Bisherige georäumliche Wirkungsanalysen untersuchten meist lediglich kurzfristige Wirkungen anhand von einfachen Indikatoren auf der Outcome-Ebene.

Aufgrund der Verfügbarkeit einer Vielzahl von geokodierten Daten über einen langen Zeitraum von 20 Jahren bewertet die Evaluierung neben der entwicklungspolitischen Wirksamkeit auch die Nachhaltigkeit der Maßnahmen. Dabei misst sie die langfristigen Effekte auf die Ernährungssicherheit, die Gesundheit von Kindern, die Einkommen, die Entscheidungsbefugnis von Frauen, den sozialen Zusammenhalt (anhand des Konfliktrisikos und der Konfliktintensität) und ökologische Wirkungen.

Bisherige Wirkungsanalysen zu Bewässerung vergleichen in der Regel Projektstandorte (treatment) mit ähnlichen Gebieten, die nicht Teil der Intervention waren (Kontrolle).Dieses Vorgehen ist allerdings problematisch in Regionen, wo viele verschiedene Geber aktiv sind, da nicht garantiert werden kann, dass ein Kontrollgebiet nicht durch andere Aktivitäten „verunreinigt“ wurde. Wenn beispielsweise in vermeintlichen Kontrollgebieten ebenfalls künstliche Bewässerung eingesetzt wird, könnte ein Vergleich von Interventions- und Kontrolleinheiten zuFehleinschätzungen der Wirkungen führen. Die Evaluierung des DEval macht sich die gestaffelte Einführung der Maßnahmen zunutze und vergleicht Standorte nach Projektbeginn (Interventionsgruppe) mit sich selbst vor Projektbeginn (Kontrollgruppe). Dabei kontrolliert das Differenz-in-Differenz-Design für unterschiedliche Zeittrends und zeitunabhängige Standortunterschiede.

Steigerung der Klimaresilienz

Die Evaluierung kommt zu dem Ergebnis, dass die Förderung der Bewässerungsinfrastruktur zu einem signifikanten und langfristigen Anstieg der landwirtschaftlichen Produktion beiträgt. Über die Steigerung der Erträge haben die Maßnahmen zu einer besseren Kindergesundheit und zur Abnahme des Konfliktrisikos in den nahegelegenen Gemeinden beigetragen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine nachhaltige Bewässerung trotz einer anhaltend hohen Konfliktsituation in semiariden Gebieten ein wirksames Instrument sein kann, um die Widerstandsfähigkeit von Gemeinden gegenüber gegenwärtigen und zukünftigen negativen sozioökonomischen Auswirkungen des Klimawandels zu verbessern.

Die Praxis muss die evidenzbasierten Erkenntnisse auch nutzen

Der Ansatz des DEval zur georäumlichen Wirkungsanalyse von Bewässerungsinfrastrukturmaßnahmen in Mali zeigt, dass sich auch in Konfliktkontexten, in denen eine Datenerhebung vor Ort aufgrund der eingeschränkten Sicherheitslage nicht möglich ist, entwicklungspolitische Wirkungen (etwa mit Blick auf die Stärkung der Klimaresilienz) oder auch nicht intendierte Effekte (wie etwa die Verschärfung von Konflikten durch die Maßnahmen) verlässlich bestimmen lassen. Allerdings sind rigorose, auf komplexe Zielsysteme ausgerichtete Analysen, die georeferenzierte Daten nutzen, in Konfliktkontexten bislang rar.

Gleichzeitig setzen die Auswirkungen des Klimawandels insbesondere in Konfliktkontexten eine auf Wirksamkeit ausgerichtete EZ immer mehr unter Druck. Diese Lücke zwischen zunehmender Relevanz und geringem Evidenzbestand gilt es zu reduzieren. Auf nationaler und internationaler Ebene sollte daher die Anzahl rigoroser Evaluierungen erhöht werden, die sich unter Verwendung georäumlicher Daten den Wirkungen von Klimaanpassungsmaßnahmen in Kontexten fragiler Staatlichkeit widmen. Das DEval hat die vorliegende Evidenz in verschiedenen Formaten nutzerfreundlich aufbereitet, denn die implementierenden Entwicklungsorganisationen müssen die
Evidenz auch nutzen und frühzeitig in die Planung von Maßnahmen einbeziehen.

Autor*innen

Portrait von Dr. Martin Noltze
© DEval

Dr. Martin Noltze

Senior-Evaluator - Teamleitung

Telefon: +49 (0)228 336907-934

E-Mail: martin.noltze@DEval.org

Portrait von Dr. Mascha Rauschenbach
© DEval

Dr. Mascha Rauschenbach

Evaluatorin - Teamleitung

Telefon: +49 (0)228 336907-942

E-Mail: mascha.rauschenbach@DEval.org

Ähnliche Beiträge

nach oben